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18.07.2015
Mit Kaffee, Tee und Gebäck begannen wir diesen Tag auf der Veranda unseres Tents, in stockdunkeler Umgebung, den fremdartigen Lauten des Busches lauschend und in Erwartung unseres ersten Sonnenaufgangs in Afrika. Im Zelt unserer Söhne, das in unmittelbarer Nachbarschaft stand, war um diese Zeit noch nichts zu hören.
Ganz versunken in der Atmosphäre des Busches, fieberten wir der Sonne entgegen. Diese triumphierte über die Nacht in nicht ganz fünfzehn Minuten.
Unmittelbar nach Sonnenaufgang zogen wir los, zur Pirschfahrt durch die Masai Mara. Unter dem Schutz eines jungen hünenhaften Massaikriegers in traditionellem Gewand und mit langem Speer wurden wir über einen schmalen Pfad durch den Busch zu Caleb, unserem Guide, geführt, der mit dem Landcruiser am Eingang des Camps wartete. Nach kurzer, herzlicher Begrüßung brachen wir auf.
Man gelangte nur über einen schmalen Fahrweg in das Camp hinein und wieder hinaus. Dieser führte direkt durch die Furt eines landstraßenbreiten Flusses mit unebenem und steinigem Untergrund. Bei jeder Durchquerung geriet unser Geländewagen in bedrohliche Schieflage, kam der Wasseroberfläche sehr nahe.
An diesem Morgen saß ich auf der »Wasserseite«. Der Landcruiser neigte sich beängstigend gen Wasser. Als ich unmittelbar ins nasse Element starrte, tauchte plötzlich in etwa fünf Meter Entfernung ein Flusspferd auf. Ich schreckte auf. Doch wir schienen uninteressant, denn es tauchte gleich wieder ab.
Mit enormer Geschicklichkeit manövrierte Caleb den Geländewagen durchs nasse Element zum anderen Ufer.
Unser erstes Abenteuer ließ nicht lange auf sich warten. Ein Rudel Löwen faulenzte unweit des Weges im Savannengras. Die beste Voraussetzung für ein Fotoshooting. Die Familie bestand fast ausschließlich aus Weibchen, der König der Löwen zeigte sich nur in einer halbwüchsigen Ausführung: Ein Junglöwe, dessen Mähne erst im Ansatz zu erkennen war, erweckte meine Aufmerksamkeit. Er lag etwas Abseits vom Rudel und hatte eine klaffende Wunde am Kopf. Wir verbrachten eine geraume Zeit mit Beobachten und Fotografieren. Irgendwann hatte die Löwenfamilie genug von uns, erhob sich und verschwand im hohen, goldgelb glänzenden Savannengras. Leider hatten wir den mächtigen König der Tiere in all seiner Pracht nicht erleben dürfen. Aber der Tag war noch jung.
Nur ein paar Minuten später trafen wir auf eine Gruppe Tüpfelhyänen. Zuerst waren sie nur schattenhaft im hohen, dichten, sonnendurchfluteten Savannengras zu sehen, dann zeigten sie sich unbeeindruckt von unserer Reisegesellschaft in ein paar Metern Entfernung ohne Scheu. Meine Nikon war blitzschnell bereit, um diesen Moment auf den Sensor zu bannen.
Auf unserem weiteren Weg stießen wir auf größere Zebraherden, Impalas und Topis, die gemütlich in der Weite der Savanne grasten. Die Atmosphäre strahlte eine himmlische Ruhe aus.
Dann war der Moment da. Im dichten Savannengras lugte er zwischen den Gräsern hervor: Der König der Tiere! Ein überwältigender Anblick. Wie auf Bestellung erhob er sich. Nun sah man ihn in all seiner Herrlichkeit. Mit majestätischem Gang strich er durchs Gras, geradewegs zu einer Löwin, die unscheinbar im Gras lag. Ihr zeigte er all seine Männlichkeit. Geduldig ließ sie es über sich ergehen.
Es war schwer, sich von den beiden zu trennen, aber die Neugier auf das, was wir noch nicht gesehen hatten und ein Gefühl von Hunger trieb uns weiter. Die Suche nach einem geeigneten Platz für die erste Rast nach dem Aufbruch vom Camp erwies sich als langwierig, denn Kenias Tier- und Pflanzenwelt zog uns unzählige Male so stark an, dass wir einfach halten mussten, um sie zu bewundern.
Nach einer gefühlten halben Ewigkeit erreichten wir einen ansprechenden Rastplatz. Caleb stieg aus und erkundete die Umgebung und als er sie für sicher erklärt hatte, durften wir aussteigen. Die Stelle befand sich unmittelbar am Marafluss, auf einer Anhöhe. Ungefähr zehn Meter vom Landcruiser entfernt, ging es steil bergab, zu meinen speziellen Freunden: den Krokodilen. Was meinen Sohn Justin faszinierte, vermittelte mir ein Schaudern. Im Wasser trieben einige dieser urzeitlichen Geschöpfe in der Strömung, wie Baumstämme, lauernd. In ungefähr fünfzig Metern Entfernung sonnten sich zwei dieser Reptilien am Ufer. Durch den Sucher meiner Nikon wirkten sie noch monströser. Gott sei Dank trennte uns eine steile Böschung voneinander. Nach dem Frühstück blieb noch etwas Zeit zum Träumen. Eine märchenhafte Landschaft umgab uns. Unweit vom Rastplatz beobachtete ich einen Webervogel beim Bau seines Nestes, ließ mich vom glänzenden Funkeln der Sonne im Wasser des Maraflusses verzaubern. Ich schloss die Augen und begab mich auf eine unbeschreibliche Reise der Gefühle. Zeit und Raum verschwanden für einen Augenblick, bis Justin mich aus meinen Träumen rüttelte. Es ging weiter.
Wir bestiegen unseren Landcruiser und setzen unsere erlebnisreiche Safari am Mara Fluss entlang fort. Auf einer Anhöhe oberhalb des Flusses hielt Caleb plötzlich an. Wir hatten eine Autopanne. Ein Reifen musste gewechselt werden. Unser Guide bat uns, auszusteigen und unweit vom Auto zu warten. Von dieser Anhöhe aus überblickte man ein weitläufiges Areal, in dessen Mitte sich der Mara-Fluss schlängelte; ein herrliches Panorama. Ganz in der Nähe lag ein imposanter Büffelschädel; nur etwa dreißig Meter entfernt, so nah und doch so fern, denn zwischen ihm und uns lag ein, wenn auch nur schmaler, aber unübersichtlicher, bedrohlich
wirkender Gürtel hüfthohen Savannengrases.
Zwanzig Minuten dauerte es, bis wir unsere traumhafte Reise durch Kenias Savanne fortsetzen konnten. Kuhantilopen, Thompson-Gazellen, Topis waren dankbare Fotomotive. Ein mächtiger Büffel präsentierte sich in seiner ganzen Pracht vor meiner Linse und meine Lieblinge, meine schattenhaften Geister, die sich bis dato erfolgreich meiner Kamera entzogen hatten, zeigten sich gnädig und ließen sich fotografieren: meine Warzenschweine; süße, liebenswerte, wuselige Geschöpfe unter Afrikas Sonne. Der Bann war gebrochen. Es sollten nicht die letzten Warzenschweine sein, die auf den Sensor meiner Kamera gebannt werden wollten.
Das nächste, mehr als beeindruckende Tier war das größte lebende Landsäugetier dieser Welt. Eine kleine Elefantenherde mit Jungtier lief mir vor die Kamera.
Im Schatten kleiner Baumgruppen, die wie winzige Inseln aus einem wogenden Meer von goldenem Savannengras emporragten, verweilten diese Dickhäuter und taten sich gütlich am Gras und den Zweigen der Bäume.
Trotz dieses überwältigenden Bildes verloren wir uns nicht in die Oberflächlichkeit, das Auge für Details blieb erhalten. Zwischen diesen Dickhäutern entdeckte Justin eine Landschildkröte. Meiner Frau entging auch nicht der kleinste Vogel. Die Zeit verstrich zu schnell, wir mussten zurück ins Camp, zum Lunch. Auf dem Weg dorthin kreuzte eine Impalaherde unseren Weg. Beeindruckend sind die Männchen mit ihren gedrehten Hörnern. Zärtlich präsentierte sich eine Impala-Mutter mit ihrem zierlichen Jungen, ein anmutiges Bild. Auch möchte ich das Straußenpärchen, das sich mir vor der Kamera offerierte, nicht unerwähnt lassen.
Mit Freuden registrierten unsere Söhne Jan, Justin und Julien, dass das Camp erreicht war: endlich Lunchtime. Auch meine Frau Dorit und ich freuten uns aufs Mittagessen, denn so eine lange Pirschfahrt machte hungrig.
Nach einer für uns viel zu langen Mittagspause erstürmten wir aufs Neue die Weiten der Savanne.
Die ersten Tiere, die wir trafen, waren eine kleine Gruppe Zebras, die sich am Wasserloch erfrischten. Sie ließen sich weder durch unsere Ankunft noch durch meine Kamera aus der Ruhe bringen. Ein paar Meter weiter trafen wir auf eine kleine Herde Gnus. Die Betonung liegt auf klein, denn was wir am folgenden Tag sahen, ließ diese Herde winzig erscheinen; das traf auch auf die bisher gesehenen Zebraherden zu. Aber dazu später.
Das magische, traumhafte, zauberhafte Flair der Landschaft der Masai Mara, hatte seinen Ursprung unter anderem im fantastischen Wetter, welches uns während der Zeit, die wir dort verbrachten, verwöhnte. Angenehme fünfundzwanzig Grad, eine leichte erfrischende Brise und ein exotischer Duft versetzten uns in Trance.
Auf einem einzelnen Baum in der Weite des Landes saß ein Ohrengeierpärchen. Es schaute zu uns herüber, zeigte sich von seiner besten Seite. Man kann über Geier denken, was man will: hässlich, abstoßend… . Sieht man sie in natura, ändert man seine Einstellung: Sie sind anders, auf ihre Art schön und in erster Linie nützlich.
Es war bereits später Nachmittag, als wir auf unseren ersten Sekretär stießen. Stolz stakte dieser Greifvogel durch das abgegraste, knöcheltiefe Gras, immer wieder nach kleinen Beutetieren tretend.
Der absolute Höhepunkt an diesem Nachmittag war die Gepardenfamilie. Für mein Reiseobjektiv leider zu weit entfernt, um zufriedenstellende Fotos zu schießen. Auf der einen Seite war ich frustriert, auf der anderen war der Kompromiss diesbezüglich in Ordnung. Für dreiviertel der Situationen reichte es aus. Sicherlich beneidete ich in diesem Augenblick die Fotografen, die mit mehr Brennweite unterwegs waren, denn es wurde uns eine fesselnde Verfolgungsjagd geboten. Ein Gnu wagte sich zu dicht an die Gepardenfamilie heran. Sein Glück war es, dass diese, bis auf ein Jungtier, scheinbar keine Lust aufs Jagen hatte. Der besagte Junggepard ließ sich auf ein Duell ein. Mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit tobten beide Tiere los.
Ich hätte nicht gedacht, dass ein Gnu eine derartige Geschwindigkeit erreichen kann. Nach knapp hundert Metern war die wilde Verfolgungsjagd vorbei. Der Junggepard gab erschöpft auf.
Es war ein kurzer Nachmittag, denn bis Sonnenuntergang mussten wir zurück im Camp sein.
Dort erwartete uns ein afrikanischer Abend mit Grillen, afrikanischen Klängen und als Höhepunkt: der Springtanz der Massai.
Es war ein fantastischer Ausklang eines fantastischen Tages in der Masai Mara.