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21.Juli 2015
Es wurde eine lange, anstrengende Fahrt zum Amboseli-Nationalpark, denn auch an diesem Tag wurden wir von schweißtreibenden Temperaturen gemartert. Bevor wir die eigentliche Fahrt dorthin antraten, fuhren wir nach Nairobi, zur Zentrale des kenianischen Vertragspartners unserer deutschen Reisegesellschaft: Calebs Arbeitgeber. Grund war der kaputte Reifen, den Caleb in der Masai Mara wechseln musste. Es galt ihn zu ersetzen und bei der Gelegenheit ließ Caleb auch alle anderen erneuern.
Während des Wechsels saßen wir in den Bürogebäuden bei erfrischenden Getränken. Der Chef der Agentur begrüßte uns persönlich. Obwohl dieser nie in Deutschland gewesen war, sprach er vorzüglich unsere Muttersprache. Die Gelegenheit, diese anzuwenden, ließ er sich nicht entgehen. Es entwickelte sich ein sehr freundliches und intensives Gespräch über Kenia.
Nach einer einstündigen Pause verabschiedeten wir uns und brachen auf zum dritten Teil unseres Abenteuers in Kenia.
Unsere Route führte uns am Präsidentensitz vorbei. Vor diesem fanden gerade Markierungsarbeiten auf der Fahrbahn statt. Einige Arbeiter, bewaffnet mit Pinsel und einem Farbtopf, zogen die Seitenstreifen mit weißer Farbe nach. An sich nichts Besonderes. Doch die Baustelle war nicht abgesichert. Die Autos bretterten mit enormer Geschwindigkeit an den abhockenden Arbeiter vorbei, von denen, der ein oder andere seinen Allerwertesten gefährlich in die Fahrbahn streckte, so dass man befürchten musste, jeden Augenblick könnte einer dieser Wagemutigen, getroffen von einem Blechmonster, in die Höhe gewirbelt werden.
Einem weiteren bemerkenswerten Erlebnis dieser Art liefen wir auf unserem weiteren Weg durch Nairobi in die Arme. Zwei Frauen, ausgerüstet mit einer grünen und roten Flagge, standen an den Enden einer ungefähr dreißig Meter langen, einspurigen Baustelle und regelten in Manier einer Ampel den rasenden Verkehr.
Nairobi ist beeindruckend. Irgendwie gefiel mir diese Stadt. Trotzdem war ich froh, dass wir sie ohne große Verzögerungen passieren konnten und nach einer gefühlten Ewigkeit wieder auf einer Landstraße Richtung Amboseli-Nationalpark holperten.
Die frische Brise, die durch die offenen Fenster unseres Landcruisers rauschte, brachte nicht die erhoffte Abkühlung. Die Sonne brannte gnadenlos. Der Schweiß, genährt durch den enorm gestiegenen Wasserkonsum, rieselte an unserer Haut herab, durchnässte unsere Kleidung. Dennoch: Wir genossen die Fahrt.
Bunt bemalte Häuser, freundlich winkende Menschen, zahllose Ziegen- und Rinderherden und eine malerische Landschaft säumten unseren Weg zum Amboseli-Nationalpark, ließen uns alle Strapazen vergessen.
Wie auf den anderen Routen unterbrachen wir unsere Fahrt zur Mittagszeit. Und wie auf den anderen Strecken verbrachten wir unsere Pause innerhalb einer gesicherten Raststätte.
Der Aufbau dieser Raststätten schien überall ähnlich. An dieser Stelle möchte ich darauf eingehen, da es zum Verständnis der folgenden Geschichte unabdingbar ist. Der erste Gang führte stets zur Toilette. Um zu ihr zu gelangen, mussten wir einen weitläufig angelegten Verkaufsraum, voll mit afrikanischen Schnitzereien und sonstigen Handarbeiten, durchqueren; eine clevere Verkaufsstrategie. Die erste Durchquerung vollzog sich in Windeseile, getrieben vom Drang der Natur. Auf dem Rückweg bummelte ich dann gemächlich durch den Laden zurück. Ein etwa fünfzigjähriger Einheimischer, der registriert hatte, dass wir Deutsche waren, kreuzte meinen Weg und sprach mich mit gebrochenem Deutsch an.
«Ich bin nicht billig, aber faire Preise. Ich bin kein billiger Jakob.»
Es kam so lustig rüber, dass ich kurz vor einem Lachanfall stand. Ich versuchte, ihm verständlich zu machen, dass ich nichts kaufen möchte. Doch er ließ sich nicht so schnell abschütteln. Er verschwand kurz und bevor ich mich vom Acker machen konnte, stand er schon wieder vor mir.
«Oktoberwiesen.», sagte er und streckte mir ein zitherähnliches Instrument entgegen. Als er merkte, dass mein Interesse an diesem Gegenstand nicht sonderlich hoch war, fing er an, darauf zu spielen: fürchterlich. Es kostete mich einige Minuten, ihn zu überzeugen, mir dieses Instrument nicht zu verkaufen. Enttäuscht zog er ab und ich konnte endlich zu meinem Lunchpaket, das uns das Resort am Lake Naivasha für unterwegs mitgegeben hatte.
Vor der Raststätte versuchte Dorit einige mitgebrachte Schulutensilien an einen kleinen Jungen, der draußen herumtollte, zu verteilen. Wie Kinder so sind: Er ließ sich nicht bremsen. Schließlich übergab sie die Sachen seinem Vater, der draußen auf der Treppe zur Raststätte saß. Dieser gab einige energische Worte auf Suaheli von sich und schon trabte der Kleine heran. Als dieser die Dinge sah, leuchteten seine Augen, bedankte sich kurz und verschwand sogleich wieder.
Kurz vor der Abfahrt, ich stand schon am Landcruiser, sprach mich ein Einheimischer, etwa in meinem Alter, an. Er fragte mich auf Englisch, woher wir kämen. Als er hörte, dass wir aus Deutschland kamen, begann er in gebrochenem Deutsch mit mir zu reden. Es war ein netter Einstieg, aber nach einigen gewaltsamen Sätzen verloren wir uns wieder ins Englische. Wir unterhielten uns unter anderem über Familie und er fragte mich, ob die drei Jungs meine wären. Ich bejahte und sofort glänzten seine Augen. Ob ich noch mehr Kinder habe, war die nächste Frage. Ich erzählte ihm von Jens, einem weiteren Sohn. Er fand dies fantastisch: nur Jungs, keine Mädchen. Nun war er vollends von meiner Manneskraft überzeugt. Voller Stolz erzähle er mir von seinem Vater; auch dieser hatte vier stattliche Söhne gezeugt; einer stand vor mir. Im Verlaufe des Gespräches erfuhr ich auch ganz nebenbei, dass er auch noch zwei Schwestern hatte: Diese Tatsache schien ihm nicht so wichtig. So erquickend dieses Gespräch auch war, letztendlich lief es darauf hinaus, dass er nach Kugelschreibern fragte, am besten, die mit einer deutschen Aufschrift. Auch die hatte Dorit. Er durfte sich zwei aussuchen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
Nach zwei Stunden Aufenthalt setzten wir unseren Weg fort. Zuerst tuckerten wir noch auf einer asphaltierten Straße durch die Landschaft. Irgendwann bogen wir ab. Von da an hoppelten wir erneut über eine Stein- und Geröllpiste unserem Ziel entgegen. Auf dieser Strecke blieben mir besonders die rote Erde, die spärliche Vegetation, die unerträgliche Hitze und der erdrückende Staub in Erinnerung.
Aufgescheucht durch das laute Brummen unseres Landcruisers galoppierten zwei Giraffen und einige Zebras vor unserem Vehicle aufgeregt durch die Savanne. Dabei wirbelten sie rötlichen Staub auf, der vom Wind in unsere Richtung getrieben wurde. Wir konnten uns aussuchen: Staub oder noch mehr Schweiß, Fenster offen oder geschlossen. Bevor wir uns entscheiden konnten, fegte rötlicher Staub durch unseren Geländewagen.
Kurz vor dem Tor zum Amboseli – Nationalpark wuchs eine Massai-Siedlung aus der roten Erde empor. Kinder trieben Ziegen durch die spärliche, trockene Landschaft zurück zu ihrem Dorf. Sie wirkten im aufgewirbelten roten Staub wie kleine Geister. Einige Rinder, der Stolz der Massai, konnte ich auch entdecken, wohlgehütet von jungen Männern. Ihr Dorf selbst war durch eine runde, blickdichte, mannshohe Dornenhecke geschützt. Nur die Spitzen ihrer Enkajis (Hütten) lugten hervor. Ich fragte Caleb, wovon man sich in dieser Gegend ernähren kann.
« Vom Blut der Rinder.» (u.a. ! [Anmerkung des Autors])
Die Massai schlachten ihre Rinder nicht, sondern entnehmen ihnen Blut, das sie teilweise mit Milch vermischt trinken; geschlachtet werden die Ziegen und Schafe.
Unter anderem erzählte er mir, dass ein Massai an seinen Rindern gemessen wird: je mehr, umso angesehener.
Kaum zu glauben, dass in einer so unwirtlichen Gegend Menschen leben konnten.
Das Eingangstor zum Amboseli – Nationalpark ragte mächtig gen stahlblauen Himmel. Caleb sammelte unsere Reisepässe ein, um uns anzumelden. Kaum hatte er den Landcruiser verlassen, wurden wir von Massai – Männern und – Frauen umzingelt. Sie wollten uns etwas verkaufen. Gott sei Dank waren wir nicht die einzigen, die auf die Weiterfahrt warteten. Nachdem wir kein Interesse bekundeten, überfielen sie die anderen Reisenden. Da die Anmeldung sich verzögerte und wir im Wagen am Zerfließen waren, erlaubte man uns, den Landcruiser zu verlassen und zu Fuß unter dem mächtigen Tor hindurch zu marschieren.
Nach über einer Stunde setzten wir unsere Fahrt fort. Es begann unsere erste Pirschfahrt durch den Nationalpark mit Ziel Resort »Amboseli Serena Safari Lodge«.
Die Räder unseres Landcruisers zogen eine tiefe Furche durch den staubigen Weg, wirbelten den sandigen Boden hoch und ließen uns zeitweise in einer Staubwolke verschwinden. Um meine ersten Bilder im Amboseli – Nationalpark machte ich mir Sorgen. Die ersten Fotoobjekte waren Zebras, die in kleinen grünen Grasoasen inmitten dieses Staubes grasten und sich das wenige Grün mit einigen Gnus teilten. Caleb hielt an, um mir Zeit zum Fotografieren zu geben. Die meiste ging mit Warten drauf, denn bevor ich ein Bild machen konnte, musste sich der Staub gelegt haben. Das war auch an den folgenden Tagen nicht anders: zuerst warten, dann fotografieren. Nach diesen ersten Fotos setzten wir unseren Weg fort. Am Horizont tauchte allmählich eine saftig grüne Sumpflandschaft auf. Dort tummelte sich eine Elefantenherde, alte und junge Tiere. Vor diesem Streifen aus köstlichem Grün, mitten im Staub, wälzten sich einige Elefantenbabys im Sand, wohlbehütet von einigen Elefantenkühen, die ihren Rücken mit ihren Rüsseln bestäubten. Es waren nicht die letzten Elefanten auf dem Weg zum Resort. Einige Minuten später mussten wir anhalten, weil wir den Wanderweg einer Elefantenherde kreuzten. So nah bin ich noch keinem Elefanten gekommen. Eine Elefantenkuh dreht sich in unsere Richtung, kam ein zwei Schritte auf unseren Geländewagen zu und blieb stehen: Wir wurden genau beobachtet. Hinter ihr wechselten die sanften Riesen gemächlich hinüber auf die andere Straßenseite. Ein Jungtier fiel mir direkt ins Auge. Es wirkte melancholisch. Allem Anschein nach hatte es erst kürzlich einen Stoßzahn verloren. Vielleicht hatte es Schmerzen. Als das letzte Tier vorbeizog, wandte sich die Elefantenkuh von uns ab und folgte der Herde. Ein faszinierendes Erlebnis.
Auf dem Weg zum Resort wechselte das Landschaftsbild sehr häufig von Staub- und Geröllboden mit vereinzelten Schirmakaziengruppen, zu deren Füßen ihre abgestorbenen Artgenossen die Landschaft in ein atemberaubendes uriges Szenario verwandelten, zu saftig grünen Sumpfgebieten und Landstrichen mit hüfthohem Savannengras. In Letzterem überraschten wir ein ruhendes Rudel Löwen, das allerdings für meine Kamera zu weit entfernt war.
Kurz vor dem Resort tauchte er aus dem aufgerissenen grauen Wolkengebilde, das ihn umgab auf: der Kilimandscharo. Sein Haupt war nur spärlich mit weißem Schnee bedeckt. Trotz alledem wirkte er überwältigend auf mich; ich war zu tiefst beeindruckt.
Eine Gruppe Massai beobachtete uns bei der Ankunft am Resort. Es waren vorwiegend Frauen und einige alte Männer, die die Neuankömmlinge unter die Lupe nahmen.
Im sicheren Abstand zu dieser Gruppe tollten einige Meerkatzen im Geröll herum. Sie belagerten uns später auch im Areal des Resorts. Sie sorgten während unseres Aufenthaltes für einige lustige Episoden.
Während der ganzen Fahrt hatte ich gehofft, die beiden noch fehlenden Giganten der Big Five zu sehen: Leopard und Nashorn. Leider zeigten sie sich uns nicht. Aber wir hatten ja noch einige Pirschfahrten vor uns.
Wir wurden traditionell mit einem warmen feuchten Handtuch zum Reinigen von Gesicht und Händen begrüßt, auch ein Erfrischungsgetränk durfte an einem solchen heißen Tag nicht fehlen.
Nach dem Abendessen spazierten wir noch durch die Anlage. Die zauberhafte Beleuchtung verlieh ihr ein malerisches Aussehen. Gemeinsam mit den fremdartigen Geräuschen und Kenias Sternenhimmel sogen wir ewig verbleibende Traumbilder in uns auf. Während Dorit und die Kinder in ihrem Domizil verschwanden, schnappte ich mir meine Kameraausrüstung, denn ich wollte dieses malerische Ambiente einfangen. Nachdem ich eine geeignete Stelle gefunden hatte, baute ich meine Ausrüstung auf und begann mit meinen ersten Langzeitbelichtungen bei Nacht. Viele Leute schauten eine Zeitlang interessiert zu. Aber nur eine Niederländerin, die mit ihrem Mann und einem befreundeten Pärchen unterwegs war, sprach mich auf Englisch an. Nach einem kurzen Wortwechsel fragte sie mich, ob ich Deutscher bin. Ich bejahte und fragte, wie sie darauf käme. Ich hätte einen deutschen Akzent, meinte sie. Dann setzten wir unser Gespräch auf Deutsch fort. Sie war ebenfalls eine begeisterte Fotografin, die wie ich von Nikon-Kameras schwärmte. Ihr Mann rümpfte die Nase und sagte: «Ein richtiger Fotograf steht auf Canon».
So entwickelte sich eine lustige Plauderei. Nach einer viertel Stunde verabschiedeten sie sich und überließen mich meiner nächtlichen Fotografie.
Ich war schon beim Einpacken meiner Ausrüstung, als mich ein Security-Bediensteter des Resorts ansprach. Er wollte wissen, was man so in der Dunkelheit fotografiert. Auf mehr oder weniger gutem Englisch erklärte ich ihm etwas über Langzeitbelichtung. Er schien interessiert zu sein. Franzis, so hieß der gute Mann, wollte mir eine Stelle unweit der Unterkünfte aber noch innerhalb des Resorts zeigen, von der ich nachts eine gute Sicht über das monderleuchtete Land hätte und von wo aus ich eventuell Langzeitbelichtungen machen könnte. Ich war zu müde. Deshalb verabredeten wir uns für die folgende Nacht, auch, weil ich zuerst seine Identität an der Rezeption klären wollte, bevor ich mich einem Fremden auslieferte. Vorab: Er war in Ordnung.
Franzis wünschte mir noch eine gute Nacht und verschwand in der Dunkelheit. Nach dem ich alle meine Sachen zusammengepackt hatte, verschwand auch ich.